Lp-Räume spezielle Banachräume. Das L in der Bezeichnung geht auf den französischen Mathematiker Lebesgue zurück, da diese Räume über das Lebesgue-Integral definiert werden. Manchmal werden sie daher auch als Lebesgue-Räume bezeichnet. Das p in der Bezeichnung ist ein reeller Parameter: Für jede Zahl 1≤p≤∞ ist ein Lp-Raum definiert.
Definition
Funktionenraum mit Halbnorm
Sei (Ω,A,μ) ein Maßraum, E ein Banachraum mit der Norm ∥⋅∥ und 1≤p<∞. Die Menge
Lp(Ω,A,μ;E) :={f:Ω→E:f ist messbar ,Ω∫∥f(x)∥pdμ(x)<∞}
ist ein Vektorraum.
Die Abbildung ∥f∥p:=(Ω∫∥f(x)∥pdμ(x))1/p ist eine Halbnorm auf Lp. Die Dreiecksungleichung für diese Halbnorm wird Minkowski-Ungleichung genannt und mit Hilfe der Hölder-Ungleichung bewiesen. Nach dem Riesz'schen Vollständigkeitssatz ist der Raum mit dieser Halbnorm versehen vollständig.
∥⋅∥p ist genau dann eine Norm, wenn die einzige Nullmenge die leere Menge ist. Gibt es nämlich eine Nullmenge N=/∅, so ist die charakteristische Funktion 1N ungleich der Nullfunktion, aber es gilt ∥1N∥p=0.
Faktorraum mit Norm
Um im Fall der Halbnorm einen normierten Raum zu erhalten, definieren wir die Äquivalenzrelation ∼ durch
f∼g:⇔μ({x∈Ω∣f(x)=/g(x)})=0
Auf dem Faktorraum Lp:=Lp/∼ ist durch ∥[f]∥p:=∥f∥p eine Norm definiert. Dabei handelt es sich bei [f] um die Äquivalenzklasse von f und die Normdefinition hängt nicht von dem Repräsentanten aus [f] ab, d.h. falls Funktionen f1,f2∈[f], gilt ∥f1∥p=∥f2∥p. Der normierte Vektorraum Lp ist bzgl. der Norm vollständig und damit ein Banachraum.
Auch wenn man von sogenannten Lp-Funktionen spricht, handelt es sich dabei um die gesamte Äquivalenzklasse einer klassischen Funktion. Allerdings liegen zwei verschiedene stetige Funktionen nie in der gleichen Äquivalenzklasse, so dass der Lp-Begriff eine natürliche Erweiterung des Begriffs stetiger Funktionen darstellt.
Sonderfall p=∞
Auch für p=∞ kann man einen Lp-Raum, den Raum der wesentlich beschränkten Funktionen, definieren. Hierfür gibt es verschiedene Möglichkeiten, die aber für σ-endliche Maßräume alle zusammenfallen. Am verbreitetsten ist: L∞(Ω,A,μ;E):={f:Ω→E:fistmessbar,∥f∥∞<∞} dabei ist ∥f∥∞:=esssupx∈Ω∣f(x)∣ =N∈Aμ(N)=0infx∈Ω∖Nsup∣f(x)∣ Betrachten wir analog zu oben L∞:=L∞/∼, erhalten wir wieder einen Banachraum.
Beispiele
Die klassischste Version eines Lp-Raums ist durch Ω⊂Rn gegeben. A beschreibt dann die Borelsche σ-Algebra B(Ω) und μ ist dann das Lebesgue-Maß λ. Darüber hinaus wird oft E als die Menge R der reellen Zahlen gewählt. In diesem Zusammenhang wird die Notation Lp(Ω):=Lp(Ω,B(Ω),λ;R) benutzt.
Einige Autoren schreiben den Parameter p unten statt oben: Lp statt Lp.
In der Stochastik betrachtet man Lp-Räume, die mit einem Wahrscheinlichkeitsmaß P ausgestattet sind. Unter einer Zufallsvariable versteht man dann eine Funktion X:Ω→E. Weiter ist der Erwartungswert als
- E(X):=Ω∫XdP∈E
definiert. Zufallsvariablen, die L1-Funktionen sind, besitzen also einen endlichen Erwartungswert. Da das für praktische Anwendungen immer gefordert ist, sind Lp-Räume gerade in der Stochastik sehr wichtig.
In einem weiteren wichtigen Fall sind Ω die natürlichen Zahlen, und μ das normale Zählmaß. Hier ist der Lp-Raum der Raum aller Zahlenfolgen (an)n∈N, für die die Reihe n=1∑∞∣an∣p konvergiert. Diese Räume werden auch oft mit ℓp bezeichnet.
Wichtige Eigenschaften
- Alle Lp-Räume für 1≤p≤∞ sind Banachräume.
- Ist μ ein endliches Maß, gilt also μ(Ω)<∞, so folgt aus der Ungleichung der verallgemeinerten Mittelwerte, dass Lq⊆Lp für q>p≥1.
- Für 1<p<∞ sind die Dualräume der Lp-Räume wieder Lp-Räume, konkret gilt: Der Dualraum von Lp ist der Raum Lq, wobei q die Gleichung p1+q1=1 erfüllt.
- Genauer gilt: Für reflexive Banachräume E und 1<p<∞ ist
Lp(Ω,A,μ;E)∗≅Lq(Ω,A,μ;E∗)
- und der kanonische isometrische Isomorphismus ist durch Lq(Ω,A,μ;E∗)→Lp(Ω,A,μ;E)∗,f↦(g↦Ω∫⟨g(x),f(x)⟩Edμ(x))
- gegeben.
- Für p=1 und E=K ist L1(Ω,A,μ)∗ zu L∞(Ω,A,μ) isomorph (der Isomorphismus analog zu oben), falls (Ω,A,μ) σ-endlich ist. Ist (Ω,A,μ) nicht σ-endlich, so lässt sich L1(Ω,A,μ)∗ (wieder unter dem selben Isomorphismus) als der Banachraum der lokal messbaren lokal im wesentlichen beschränkten Funktionen darstellen.
- Daraus folgt, dass für 1<p<∞ und reflexives E die Lp-Räume reflexiv sind.
- Der Fall p=2 ist ein Sonderfall: Der L2 ist, falls E ein Hilbertraum ist, nämlich sogar ein Hilbertraum (siehe unten).
- Die Räume L1 und L∞ sind nicht reflexiv.
Verallgemeinerungen
Es gibt auch die Verallgemeinerung der Lp-Räume für 0<p<1. Diese sind allerdings keine Banachräume mehr, weil die entsprechende Definition keine Norm liefert, sondern nur eine Quasi-norm. In diesem Fall ist jedoch dp(f,g):=Ω∫∥f(s)−g(s)∥pds eine translationsinvariante Metrik auf Lp(Ω,A,μ;E), die diesen Raum zu einem vollständigen metrischen Vektorraum macht.
Berücksichtigt man in der Norm nicht nur die Funktionswerte, sondern auch die Ableitungen, so erhält man Sobolew-Räume, die insbesondere in der Untersuchung von Differentialgleichungen eine wichtige Rolle spielen.
Der Hilbertraum L2
Sei (Ω,A,μ) ein Maßraum, (H,⟨⋅,⋅⟩H) ein Hilbertraum (häufig C mit dem Skalarprodukt ⟨w,z⟩=wz) und f,g∈L2(Ω,A,μ;H). Dann definiert ⟨f,g⟩L2(Ω,A,μ;H):=Ω∫⟨f(x),g(x)⟩Hdμ(x) ein Skalarprodukt auf L2. Dieser Raum ist bezüglich der durch das Skalarprodukt induzierten Norm vollständig und damit selbst wieder ein Hilbertraum.
Seit der Zeit der Griechen bedeutet "Mathematik" zu sagen, "Beweis" zu sagen.
N. Bourbaki
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